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Aus der Welle schwebt. Die Göttin trüge
Deiner eigenen Schönheit schöne Züge.

Ich hinwieder wünsche mir aus Glase
Eine schlankgeformte, hohe Vase.
Ihre Wände müßten meergrün schimmern
Und wie Sonnenschein am Lido flimmern,
Hundertfarbig mit dem Licht im Bunde,
Irisspielend jegliche Sekunde.
In Murano soll der beste Bläser
Schaffen uns dies Wunder aller Gläser,
Tag und Nächte soll er wund sich mühen,
Bis ihm Farbenwunder traumhaft blühen
Uns aus seiner reichsten Träume Gluten
Und der fabelhafte Kelch wird fluten.
Dann an warmen Abenden wie heute
Tönt der Kelch ein wundersam Geläute
Und wir beide hören zu und schweigen,
Bis aus dem Geläute Lieder steigen,
Lieder, die wie Fabeln fremder Zeiten
Fremd und schön in langen Takten gleiten,
Tief in Zauberglück die Seele hüllen,
Aller scheuesten Sehnsucht Wunsch erfüllen.
Hörst du, Gina? Hörst du nicht?—Es ziehen
Schon vom Ufer her die Melodien,
Es erglänzen schon in jähen Garben
Unsres Kelches tausendfache Farben!
Über Redentore hängt verblühend
Reif und schwer die Sonne, blutrot glühend,