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Agnes“, murmelte er, furchtbar erschrocken, und legte ihr, wie tröstend, den Arm um ihre Schulter; da sank sie gegen die seine. Er drückte seinen Mund in ihr Haar, ziemlich tief, weil er sich dazu verpflichtet fühlte. Unter seinem Druck bebte und flog ihr Körper, als würde er geschlagen. Er fühlte sich in der dünnen Bluse lau und feucht an. Diederich ward es heiß, er küßte Agnes auf den Hals. Und plötzlich kam ihr Gesicht auf ihn zu: mit offenem Mund, halbgeschlossenen Augen und mit einem Ausdruck, den er nie gesehen hatte und der ihm schwindlig machte. „Agnes! Agnes, ich liebe dich“, sagte er wie aus tiefer Not. Sie antwortete nicht, aus ihrem offenen Mund kamen kleine warme Atemstöße, und er fühlte sie fallen, er trug sie, die zu zerfließen schien.

Dann saß sie auf dem Diwan und weinte. „Sei mir nicht bös, Agnes“, bat Diederich. Sie sah ihn an mit ihren nassen Augen.

„Ich weine doch vor Glück“, sagte sie. „Ich hab’ so lange auf dich gewartet.“

„Warum?“ fragte sie, da er ihre Bluse schließen wollte. „Warum deckst du es schon zu? Findest du es schon nicht mehr schön?“

Er verwahrte sich. „Ich bin mir der übernommenen Verantwortung vollkommen bewußt.“

„Verantwortung?“ sagte Agnes. „Wer hat die? Ich habe dich drei Jahre lang geliebt. Du wußtest es ja nicht. Es war wohl das Schicksal!“

Diederich, die Hände in den Taschen, bedachte, daß dies das Schicksal der leichtsinnigen Mädchen sei. Andererseits empfand er das Bedürfnis, sich ihre Versicherungen wiederholen zu lassen. „Also wirklich mich, nur mich hast du geliebt?“

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