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durch die Saiten der Harfe zu spähen. Dahinter saß, weiß wie eine Blüte, ihr Kind und machte, daß alle schwiegen. „Wir konnten keinen Puder kaufen, aber dennoch sind ihre Arme sehr weiß.“ Alle schwiegen; nur noch ganz leise Violinen umhauchten Ninas Töne, die wie Mondstrahlen dahinzogen und zergingen. Endete sie, dann war gewiß auch von der Bühne droben der Mondschein gelöscht und Tonietta und Piero waren stumm. Frau Zampieri zog in ihrem grau gewordenen schwarzen Kleid die Schultern nach vorn, aus Furcht, diese Klänge möchten enden.

„Wenn Luciano endgültig die Hilfslehrerstelle bekommt, haben wir fast schon zu essen … Wird der junge Mandolini Ernst machen? Er blickt über seine Geige hinweg immer auf Nina. Spiele weiter, Ninetta!“

„Siehst du,“ sagte nebenan Lauretta zu Theo, „ich wußte, daß diese Tonietta ein anständiges Mädchen sei und keine —. Jetzt glaubt auch er ihrs, wie es scheint, und sie zeigen sich durch das Fenster ihr Bett mit den Blumen. Wie das rührend ist!“

„Aber sie wollen sterben.“

„Das sagt er; die Männer sagen das oft; und man glaubt es ihnen, solange man noch wenig Erfahrung hat.“

Mama Paradisi neigte sich, von ihren Töchtern ungesehen, über die Wand der Nachbarloge, und sie seufzte.

„Die Tonietta hat recht: das beste ist, sich auch im Unglück lieben.“

Der Kaufmann Mancafede nickte — in der Hoffnung, seine Kommis würden es nicht bemerken.

Rosina Giocondi wandte sich ab. „Wie viele Lügen! Und wenn sie nicht das Haus als Mitgift hätte? Sie tut wohl, ihn daran zu erinnern: Sieh, Geliebter, unser umblühtes Haus!“ Ein Flüstern ging um.

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