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„Guten Abend, mein Herr“, sagte Frau Camuzzi; und nach einer Minute des Blickens und Lächelns:

„Heute abend also werden wir Sie zum letztenmal hören?“

„Ich singe doch nicht mehr.“

„Wie? Sie haben unser Fest im Klub vergessen?“

Sie lächelte schärfer.

„Was nimmt Ihnen denn alle Gedanken und macht Sie unsichtbar?“

„Es ist wahr, ich soll singen!“

„Frau Zampieri,“ sagte sie hinüber, wo die Witwe am Fenster erschienen war, „denkt vielleicht auch ihre Nina nicht mehr an ihr Harfenspiel? Da sehen Sie den Künstler, der nichts davon weiß, daß alle ihn erwarten.“

„Aber Sie brauchten mich nur daran zu erinnern, daß unter meinen Hörern —“

Frau Camuzzi grüßte ihn hinter ihrem vorbeischwingenden Fächer mit einem raschen, tiefen Blick, — und ehe er beendet hatte, war sie fort. Nello knallte mit zwei Fingern, er schwenkte sich auf den Absätzen herum.

„Sieh doch!“ dachte er, und: „Warum nicht … Oder eine andere! Oder mehrere!“

Er grüßte zu den leeren Fenstern hinauf; vor dem verschlossenen der Unsichtbaren machte er eine kleine spöttische Verbeugung.

„Adieu, o Schicksalsgöttin. Ich habe kein Schicksal mehr; alles ist wieder Spiel und Abenteuer; — und morgen gehts in die Welt hinaus.“

Er schlenderte leichtfüßig durch den Corso. Von der anderen Seite kam ungefüge flatternd der Pfarrer Don Taddeo. Wo es nach dem Gasthaus „zum Mond“ hinabging, maßen sie sich, und der entzündete Blick des Priesters wich aus. „Wie er verstaubt, schweißig und elend aussieht!“ dachte Nello. „Ist

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