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Freiheit immer nur wie ein Tuch umgebunden, weil du mir deine Schönheit versagen wolltest. Und du liebst mich, von jeher liebtest du mich! Ist es wahr, daß du geweint hast, als ich vom Balkon über die Mauer gesprungen war?“

„Es ist wahr,“ sagte ich. „Und ich hätte dich geliebt. Aber ich durfte nicht, denn es gab etwas Größeres, das ich erblickt hatte und nicht vergessen durfte: Jenen, der auf dem Turm vor dem Ghetto stand und seine Axt ins Tor schlug.“

„Wie viel Gewissen!“ rief er. „Jetzt sind wir allein in diesem Hause, in das keiner den Fuß setzt. Jener andere ist fern, verschwunden, wer weiß wo. Was lebt jetzt noch von der Welt umher? Auch die Freiheit ist tot, jenes Phantom. Wir sind allein: jetzt wirst du den Mut haben zu unserer Liebe. Und hast du ihn nicht, dann hab’ ich ihn für dich mit!“

Er warf die Arme um meinen Hals, ich fühlte sie zittern. Ich stieß ihn zurück, lief aus der Tür, die Treppe hinab. Er war immer hinter mir. Drunten in einem der dunklen Zimmer ergriff er mich von neuem; wir stürzten hin, rafften uns auf, stolperten weiter. Zuweilen trennten uns Möbel, die wir nicht sahen und die er umstieß. Dann flüsterte er wieder dicht an meinem Gesicht

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