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Doppelte Heimat

von Heinrich Mann.


Man kann in einem Lande geboren werden, sich dieser Luft verbunden fühlen wie der Baum im Garten, zwischen sich und den Menschen umher keinen Unterschied machen: und allmählich steigen dennoch Zeichen herauf, daß man anders ist als die meisten; daß die Sprache, mit der man aufwuchs, noch nicht die ist, in der man sein Leben lang sich ausdrücken soll; daß hinter diesem Land eine zweite Heimat wartet.

Die Knaben Carlos und Nicolàs[1] sind Argentinier, ihr junges Leben hat argentinischen Inhalt und argentinisches Tempo. Mit ihren Eltern und einem Gesinde von Gauchos, Neapolitanern, Deutschen und Mulatten bewohnen sie ein Landgut in der Pampa. Die unabsehbare Ebene gehört ihnen und ihren Ponys. Sechsjährig, klettern sie aufs Pferd, galoppieren, fallen, werden geschleift und fangen von vorn an, ohne von Gefahr zu wissen. Sie setzen ihr Vertrauen in Erde und Getier. Sie fangen Beutelratten, junge Strauße, Kropfeidechsen, Rehe, und erfüllen die Salons mit Stallgeruch. In den Sümpfen hat ein Tiger gebrüllt, und sie ruhen nicht, bis sie mit in das lecke Boot dürfen,

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  1. Rudolf Schmied: Carlos & Nicolàs. Kinderjahre in Argentinien. München 1906. R. Piper & Co. Inhalt: Die Boleadoras. Der Chinese. Das Brüderchen. Die Tigerjagd. Herr Dr. Bürstenfeger. Ein Tag mit Herrn Dr. Bürstenfeger. Die Reise nach Mendoza. Die Stadt Mendoza. In den Cordilleren. Nach Paraguay. Die Revolution. 3. Tausend. Geh. 2 Mark, geb. 3 Mark.