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und nie begriffen. Wenn er strafte, tat er es nicht mit dem überlegenen Vorbehalt: „Ihr seid Rangen, wie’s euch zukommt, aber Zucht muß sein“; sondern er strafte im Ernst und mit zusammengebissenen Zähnen. Was in der Schule vorging, hatte für Unrat Ernst und Wirklichkeit des Lebens. Trägheit kam der Verderblichkeit eines unnützen Bürgers gleich, Unachtsamkeit und Lachen waren Widerstand gegen die Staatsgewalt, eine Knallerbse leitete Revolution ein, „versuchter Betrug“ entehrte für alle Zukunft. Aus solchen Anlässen erbleichte Unrat. Schickte er einen ins „Kabuff“, war ihm dabei zumute, wie dem Selbstherrscher, der wieder einmal einen Haufen Umstürzler in die Strafkolonie versendet und, mit Angst und Triumph, zugleich seine vollste Macht und ein unheimliches Wühlen an ihrer Wurzel fühlt. Und den aus dem „Kabuff“ Zurückgekehrten und allen andern, die ihn je angetastet hatten, vergaß Unrat es nie. Da er seit einem Vierteljahrhundert an der Anstalt wirkte, waren Stadt und Umgegend voll von seinen ehemaligen Schülern, von solchen, die er bei Nennung seines Namens „gefaßt“ oder denen er es „nicht hatte beweisen“ können, und die alle ihn noch jetzt so nannten! Die Schule endete für ihn nicht mit der Hofmauer; sie erstreckte sich über die Häuser ringsumher und auf alle Altersklassen der Einwohner. Überall saßen störrische, verworfene Burschen, die „ihr’s“ nicht „präpariert“ hatten und den Lehrer befeindeten. Ein Neuer, noch ahnungslos, bei dem zu Haus ältere Verwandte über den Professor Unrat gelacht hatten wie über eine Jugenderinnerung

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