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weichere Bewegungen und schien zu schnurren. Ihr Mann klagte, daß ihm nach der Mehlspeise das Bier nicht mehr schmecke; er müsse einen Käs haben. Die moderne Frau sei frei, aber sie bekümmere sich um solche Dinge aus künstlerischem Gewissen. Ob in der Handschrift seiner Frau das künstlerische Gewissen nicht besonders zur Geltung komme. Gwinner bestätigte es, zwinkernd; und Frau Gugigl holte den Käse.

Inzwischen verlangte Mai, daß Gwinner ihr wahrsage, und hielt ihm ihre kleine unschuldige und schicksallose Hand hin. Er ergoß ironische Schmeicheleien über sie, und sie kicherte vor Freude. Als es ihm einfiel, ihr sehr viel Geld zu verheißen, schrie sie auf. Dann lief sie zu Lola.

„Laß dir auch wahrsagen! … Warum denn nicht?“

Mai war mit ihrer neuen Umgebung versöhnt. Alles regte sie an: die sonderbaren Gesänge; der komische alte Herr mit den Krumen in den Brauen, der aus dem Zimmer ritt; die vielen Scherze, das viele Hinundher; das unglaubliche Essen und dieses Bier, das schließlich nicht so übel war; die phantastischen, gutgelaunten Menschen, die wohl zu ihren Ehren etwas aufführten, im Lichtkreis dieses bizarren Raumes, in dessen Schatten Heiligenbilder mit unbegreiflichen, noch nassen Klexereien wechselten, unter dessen Decke Tabaksqualm hinzog, und zu dessen engen Fenstern der Garten feucht und kühl hereinduftete. Mai lugte aus der Tür. Tini schoß an ihr vorbei, in den Regen, zum Briefkasten. Mit leeren Händen aber nicht trauriger als vorher, kehrte sie zurück. Da wagte sich auch Mai auf

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