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einem Brief an Pardi aufgehoben, den er aus Mantua gekriegt hatte. Da mußte ich denn aus seinem Namen deinen machen, mir ganz genau dieselbe Schrift einüben und auch das Kuvert wieder heil machen. Das war eine ziemliche Geduldprobe, daher mußt du entschuldigen, daß ich mich die letzten Tage so wenig um dich bekümmern konnte. Du siehst nun doch, wie lieb ich dich habe, Lola, daß ich dies für dich getan habe! Jetzt ist der Brief mir sehr gelungen, du kannst ihn allen zeigen, sie werden es dir gewiß glauben: und dann kannst du hinreisen. Italien muß herrlich sein. Du wirst gewiß noch einmal sehr, sehr glücklich werden. Vergiß nicht deine Tini.“

„Welche heroische Kinderei!“ dachte Lola und wollte die Achseln zucken. Aber ihr kamen Tränen. Sie ließ das Blatt sinken, verschloß die Tür und drängte sich in einen Winkel, um, vor sich selbst versteckt, diese Tränen zu weinen, ohne zu wissen wem? Sich? Tini? Den Dingen?

Bei Tisch blieb Tinis Stuhl frei, aber auf Lolas Platz lag der Brief. Frau Gugigl hatte schon gesehen, daß er aus Italien kam. Niemand nahm Anstoß an dem, was darin stand: auch Mai nicht. Wie sie von der Einladung hörte, erhob sie schon die Hände, um hineinzuklatschen, besann sich aber rechtzeitig und machte ein trauriges Gesicht.

„Wir sollen also fort? O!“

„Es wird nicht anders gehen,“ erklärte Lola. „Meine Freundin erwartet uns übermorgen. Morgen müssen wir reisen: morgen mit dem ersten Zug.“

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