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jetzt sein, wenn ich hätte Schauspielerin werden dürfen! O! man hat sich sehr an mir versündigt.“ Die kleine Tini war’s geworden, ihr war das Schicksal günstiger. Marie Gugigls kleine Schwester, die schon fast Diakonissin gewesen war, jetzt spielte sie irgendwo in der Welt Komödie. Neugier kam Lola an, nach Kunde aus solch einem Leben, aus dem, das auch ihres hätte sein können. „Und wir fühlten uns doch zueinander hingezogen. Wir verstanden uns doch.“ Das schrieb sie Tini; und daß sie sie um ihre Laufbahn fast beneide. Es kämen Zeiten, wo man wünschte, man wäre wieder auf sich selbst gestellt. Übrigens sei sie mit ihren Verhältnissen ganz zufrieden, setzte sie, aus Scham, hinzu. Plötzlich fiel ihr die sonderbare Dankesschuld ein, die sie an Tini band. Tinis verstellter Brief, der es Lola ermöglicht hatte, Pardi entgegenzureisen. „Mein Gott, wie vieles liegt dazwischen! Und Tini opferte mir ihre große Backfischleidenschaft! Mit schweren Seufzern des Verzichtes hat das Kind mir nachgeblickt, wie ich dem Glück in die Arme eilte. Und nach drei Tagen ist sie damit fertig gewesen, mit dem großen Ereignis, woran ich den Rest meines Daseins zehren werde. Zu denken, daß ich beneidet worden bin!“ Sie schrieb: „Und ich beneide andere nicht mehr, als sie mich beneiden. Scheint nicht jedem das wünschenswerter, was er verfehlen mußte, um zu erlangen, was ihm beschieden war?“

Der Brief ging in die Welt. Lola sann, in ihren menschenlosen Zimmern, hinter ihm her. Nun kam er an, ward Tini in die Probe getragen. Tini

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