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mers. Herr Dietrich stand von seinem Schreibtisch auf, der dabei ins Wanken kam, und deckte verlegen ein Kissen auf einen Riß im Ledersofa. Das ganze Haus roch nach saurer Milch. Tagelang erbitterte Lola sich gegen Erneste, die ihn nicht besser bezahlte. Alle hätten hingehen sollen und es ihr vorhalten. Lola sonderte sich ab, so oft sie konnte, lernte den Leitfaden der Geschichte auswendig, und wenn sie ihn sich wiederholte, war es ihr, als sagte sie ihm etwas Liebes. Als sie an einem Märztag, es lag noch Schnee, allein im Garten gewesen war, kam sie erregt zu Erneste gelaufen.

„Erneste, ich weiß jetzt, wie der Frühling aussieht!“

„Wieso?“

„Wie Herr Dietrich sieht er aus!“

Lola leuchtete. Die Offenbarung, die sie soeben empfangen hatte, war einfach und tiefwahr.

Erneste dachte: „Mit zwölf Jahren schon? …“ Sie faßte sich und äußerte:

„Aber Kind, für ein Mädchen, das bald dreizehn wird, ist das doch zu kindisch. Herr Dietrich ist natürlich ein Mensch wie wir alle.“

Lola stutzte; war er das? Warum mußte sie dann soviel an ihn denken? Immer hatte sie jenen leichten Geruch von saurer Milch in der Nase: soviel dachte sie an Herrn Dietrich. „Ich will ihn mir ganz genau ansehen.“ Gerade heute war Herrn Dietrich sein gelber Strumpf über seinen schwarzen Schuh gerutscht. Lola starrte finster und nachdenklich darauf hin. Ähnliches konnte man auch bei andern Lehrern

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