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Und Lola mußte herabsteigen und sich mit den Wesen behelfen, zu denen eine mürrische Wirklichkeit sie gesellt hatte.

Erneste war vor dem Gewitter ins Zimmer geflüchtet und hatte an ihrem Buch keine Freude gefunden, weil sie immer denken mußte, daß sie nun doch allzu wenig Gutes habe von ihrem Liebling, von dieser Lola, die sie, ganz insgeheim, ihr Kind nannte. Dies Berghotel war ein teurer Aufenthalt, und wenn er für Lola ohne Schwierigkeit bezahlt ward, Erneste fiel’s nicht leicht. Sie wohnte sonst den Sommer in einem Dorf nahe ihrer Stadt, mit andern Lehrerinnen und mit Lola. Um Lola zu erfreuen, hatte sie dies Jahr die Reise gemacht; und auch, weil das Kind groß ward und es nicht mehr lange dauern konnte, bis man es ihr wegnahm. Vorher noch eine Zeitlang es ganz für sich haben, noch einmal so vertraut mit ihm leben wie einst, als es klein war: danach hatte Erneste sich gesehnt. Nun aber saß sie meist allein, immer in der Stube, bei dem ewigen Regen hier im Gebirge, und Lola hatte noch nie daran gedacht, ihr Gesellschaft zu leisten. „So junge Menschen sind zu sehr mit sich beschäftigt und sehen in andere nicht hinein. Daß sie wegläuft, ist kein Mangel an Zartgefühl, bewahre. Warum kann ich ihr nicht sagen, wie gern ich mit ihr beisammen wäre? Es ist meine Schuld.“ Dabei errötete Erneste, sogar hier im verschwiegenen Zimmer.

Wieviel verschämtes Leid hatte ihr die Liebe zu diesem Kinde bereitet! Bis in das erste Jahr zurück wußte sie noch alle Strafen, die sie Lola hatte erteilen

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