celtischer Sage, Sprache und Poesie repräsentiren. Was hierbei auf Rechnung des Diaskeuasten Macpherson zu setzen ist, ist immer noch nicht endgültig nachgewiesen. Ungerechtfertigt ist, jede Abweichung von der älteren, irischen Form der Sage als „forgery“ Macpherson’s zu brandmarken. Ebensowenig darf man Macpherson’s Gedichten an und für sich zum Vorwurf machen, dass sie nicht die älteste, sondern eine spätere Gestalt der Sage bieten, und dass der Grundstock der Sage irischen Ursprungs ist. Wollte man solche Punkte hier als die allein massgebenden betrachten, so müsste z. B. auch unser Urtheil über Wolfram von Eschenbach’s Parzival wesentlich herabgestimmt werden.
Der Name „Ossianische Gedichte“ ist Terminus technicus geworden für die zur Finnsage gehörigen Gedichte. Wir behalten ihn bei, obwohl, wie wir gesehen haben, nur wenige der ältesten Gedichte dem Ossín selbst zugeschrieben werden.
11. Die drei ossianischen Gedichte, die ich hier aus dem Buch von Leinster mittheile, zeichnen sich vor anderen Gedichten, die in diesem Bande zu finden sind, durch die complicirte, aber leicht erkennbare Regelmässigkeit ihrer metrischen Form aus. Alle drei gehören dem bei O’Donovan Ir. Gr. p. 422 „Rannaigheacht mor“ genannten Versmass an. Die Strophe (rann) besteht aus zwei Langzeilen oder vier Halbversen, von denen jeder sieben Silben enthält. Jede Langzeile endet mit einem einsilbigen Worte. Diese einsilbigen Wörter bilden den äusseren Reim[1] der Strophe. Dazu kommt der innere Reim, durch welchen die zwei Halbverse einer Langzeile verbunden sind. Die eleganteste Form dieses Reimes besteht darin,
- ↑ Der wesentliche Factor im irischen Reime ist der Vocal. Es giebt Verse, deren Reim nur in Uebereinstimmung der Vocale besteht. Zu der vollkommnen Art des Reims gehört aber auch Uebereinstimmung der Consonanten. Die Consonanten brauchen jedoch nicht nothwendig gleich zu sein, sondern es genügt ihre Aehnlichkeit. Welche Consonanten als einander ähnlich gelten, geht aus folgender Eintheilung der Consonanten hervor: s; p, c, t; b, g, d; f, ch, th; ll, m, nn (nd), ng, rr; bh, dh, gh, mh, 1, n, r. Vgl. O’Donovan, Ir. Gr. p. 415.