Sucht nach Risiko. Mit dem Buch verfolge er das Ziel, so die Vorbemerkungen des Autors, verschwommene Vorstellungen und falsche Bilder vom Bergsteigen zurecht zu rücken und einen, vor allem von den Medien getragenen, «mystischen Wildwuchs ein wenig zu stutzen». Eingebettet in ein Kapitel über das Wasserfall- klettern in Alaska serviert er eine sehr persönlich gehaltene Zusammenfassung von zwei Jahrhunderten Bergsteigen: «Als das Bergsteigen vor zweihundert Jahren in den Alpen erfunden wurde, war es ein bewundernswert einfacher Sport: Man suchte sich einen Berg, je höher desto besser, und versuchte, auf seinen Gipfel zu steigen. Mit der Zeit wurden jedoch alle hohen Berge bestiegen, und die Alpinisten, die sich ein Denkmal setzen wollten, waren gezwungen, sich immer schwierigeren Wänden und Graten an Bergen zuzuwenden, die bereits erstiegen waren. Schliesslich gelangte die Suche nach immer grösseren Her- ausforderungen und jungfräulichen Steilwänden an den Punkt, wo es für eine ganze Reihe guter Kletterer völlig uninteressant wurde, irgendeinen geographisch bedeutenden Gipfel zu besteigen; solange das Klettern so schwierig und steil war, dass reichlich Adrenalin floss, war es unwichtig, ob man einen Himalaja- gipfel erstieg oder in einem englischen Steinbruch herumkraxelte. Oder eben an einem gefrorenen Wasserfall in Valdez in Alaska.»[1]
Krakauer berichtet von Individualisten und heldenhaften Einzelleistungen - Stresshormonen, riskanten Unternehmungen, Grenzen und Träumen. Von den Extremen, die sich abheben von der bergsteigenden Masse, von den touristi¬ schen Bergsteigern und bergsteigenden Touristen. Von modernen Menschen, die zeitgenössische Medien nutzen, um auf ihr - aussergewöhnliches - Tun aufmerksam zu machen und finanzielle Unterstützung für zukünftige - extreme -tUnternehmungen zu finden.
Dabei handelt es sich keineswegs um eine erst in unseren Tagen beobachtete und zur Diskussion gebrachte Thematik.
Am 22. Dezember 1857 gründen britische Bergsteiger in London den Alpine Club, der somit als ältester Bergsteigerverband der Welt gilt. Schon bald nach seiner Gründung kommt aus den Reihen dieses Clubs der Anstoss zur tiefer gehenden Reflexion über die Gefährlichkeit des Bergsteigens. Thomas Middlemore nimmt seine Überschreitung des Col des Grandes Jorasses im Mont Blanc-Massiv zum Anlass, um auf das Schicksal einer gesamten Generation von Bergsteigern aufmerksam zu machen. Er erinnert an jene, die den Erstbesteigern nachfolgen - an die «zu spät Gekommenen». Diese Kletterer, so Middlemore, stünden vor dem Problem, dass alle wichtigen Gipfel und
Punkte bereits erstiegen seien.