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brachte, besonders deutlich und greifbar in Erscheinung traten, wenn man die Urbanisierung als Bestandteil oder sogar als eine der wichtigsten Triebkräfte der zeitgenössischen Zivilisationsgeschichte auffasst. Es handelt sich um einen jahrzehntelangen Prozess, in dem sich die Verhaltens- und Handlungsnormen und die Mentalitätsstandards herausbildeten, die das Leben der Stadt- und Industriegesellschaften des 20. Jahrhunderts prägten.[5] Die Einführung von Neuerungen in der modernen städtischen Hygiene, die vor allem von den damaligen Naturwissenschaftlern empfohlen wurden, hing natürlich von der finanziellen Leistungsfähigkeit der Stadtgemeinde ab, von der Bereitschaft der Stadträte, die Stadt auch im Bereich der Hygiene zu modernisieren, und nicht zuletzt von persönlichen Initiativen und von Vorbildern in anderen euro- päischen Städten.[6]


Im Reich des Unrats und Gestanks


Von den hygienischen Verhältnissen im Laibach des 19. Jahrhunderts kann sich der heutige Beobachter nur schwer eine Vorstellung machen. In der Hauptstadt des Landes Krain, deren Einwohnerzahl seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg langsam, jedoch stetig anstieg, herrschten Unrat und Gestank.[7] Die hygienischen Verhältnisse unterschieden sich bis in die 1890er- Jahre kaum von denen im Mittelalter. Zu einer wesentlichen Verbesserung der gesundheitlichen und hygienischen Verhältnisse auf den Laibacher Strassen und Plätzen sowie in Häusern und Wohnungen und folglich zu einer allmählichen Verminderung des Gestanks in der Stadt kam es erst nach dem katastrophalen Erdbeben, von dem Laibach am 14. April 1895, zu Ostern, heimgesucht wurde. Das starke Erdbeben stellt auch einen wesentlichen Meilenstein in der Moder- nisierung der Stadt dar. In der Zeit nach dem Erdbeben machte Laibach grosse Fortschritte, es begann die Erneuerung der Stadt.[8]

Einige Tage nach dem Erdbeben besuchte Dr. Heinrich Kanner, Korrespon- dent von Frankfurter Zeitung und Handelsblatt, Laibach und beschrieb in einem Feuilleton unter dem Titel Eine «gestützte» Stadt die «traurige Sehens- würdigkeit» Österreichs. Obwohl die Stadt, wie er schrieb, wahrscheinlich «Grossstadteinwohnern und Weltreisenden nicht gefallen würde», mache sie auf die bäuerliche Bevölkerung, die sie besuche, grossen Eindruck. Kanner bezeichnete die «Provinzialstadt» als «eine kleine Stadt, ein grosses Dorf, beides in einem». Sie prange durch schmucke, jedoch enge Strassen, niedrige Studen: «Es entwickelt sich ein penetranter, bestialischer Geruch»