Die Vermittlung der jungen Frauen an die Arbeitgeber vollzog sich vorwiegend über informelle Wege, wie etwa die schon erwähnte Anwerbung durch italie- nische Touristen oder Beamte. Stellenangebote in den Südtiroler Zeitungen gab es zwar, sie spielten in den untersuchten Fällen aber so gut wie keine Rolle. Ebenso wurden die Stellenvermittlungsbüros in Meran und Bozen - auch sie vermittelten Dienstmädchen in italienische Städte - nur selten in Anspruch ge- nommen. Hatte ein Mädchen in einer Stadt eine Stelle angenommen, so holte es sehr oft Schwestern, Verwandte und Freundinnen nach, brachte sie entweder bei den eigenen Arbeitgebern unter oder vermittelte ihnen eine Stelle im nähe- ren Umkreis. Bisweilen fungierten Frauen, die von einer Arbeitsstelle in einer italienischen Stadt zurückgekehrt waren, als Vermittlerinnen. Eine besondere Rolle bei der Stellenvermittlung spielten in den grösseren italienischen Städten wie Mailand, Rom und Florenz die deutschen Klöster vor Ort.
In städtischen Haushalten
Hauptzielorte der Südtiroler Mädchen waren Mailand, gefolgt von Rom, Florenz,
Bologna, aber auch in Neapel, Messina und Palermo nahmen die Südtirolerinnen
Stellen an.
Die Reise in die Stadt gehörte zu den aufregendsten Erfahrungen der oft sehr jungen und unerfahrenen Mädchen, zumal viele die Provinzgrenze bis dahin noch nie überschritten hatten. Manche kannten nur die nähere Umgebung des Heimatdorfes. Sie waren allein oder mit Schwestern und Freundinnen mit dem Zug unterwegs, die Fahrkarte hatten die zukünftigen Arbeitgeber - soweit diese bereits feststanden - oft schon im Voraus bezahlt und zugeschickt. Seltener reisten sie mit ihren Arbeitgebern im Auto in die Stadt.
Die Arbeitgeber der Südtirolerinnen gehörten den grossbürgerlichen Kreisen und auch dem sogenannten Mittelstand an. Sie waren Ärzte, Universitätsprofessoren, Ingenieure, Schiffskapitäne, Advokaten, Beamte, Offiziere, Botschafter, allein- stehende wohlhabende Witwen, Grafen und Grossgrund- oder Fabrikbesitzer. Meist waren sie italienische Staatsangehörige, einige hatten aber auch eine andere nationale Zugehörigkeit. Besonders gefragt waren die Südtirolerinnen bei deutschen Familien, die vorwiegend in Mailand oder Rom lebten und als Selbständige und Angestellte in Industrie und Handel tätig waren.[10]
Den Südtirolerinnen tat sich eine völlig neue Welt auf. Vor allem in den gross-
bürgerlichen Haushalten waren sie überwältigt vom materiellen Wohlstand