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Die Zeit, die den Mädchen für sich und ihre Erholung zur Verfügung stand, war allerdings knapp bemessen: Meist war den Mädchen nur der Sonntagnachmittag zur mehr oder weniger freien Gestaltung überlassen. Ausserdem gab es Arbeitgeber, die um die moralische Integrität der Mädchen fürchteten und den Dienstmädchen freie Ausgänge grundsätzlich untersagten oder streng reglementierten. So konnte es vorkommen, dass einige Südtirolerinnen, auch wenn sie in einem längeren Arbeitsverhältnis standen, wenig von der Stadt zu sehen bekamen.

Erste Bekanntschaft mit dem Stadtleben machten die Südtirolerinnen bei ihrer Ankunft am Bahnhof und dann bei den täglichen Einkäufen, die sie oft auch in Begleitung der Hausfrau machten. Sie mussten sich erst mit den neuen Verkehrsmitteln wie Bussen oder Trams vertraut machen und sich im Gewirr der Strassen zurechtfinden. Das war nicht einfach, zumal die meisten Südtirolerinnen kaum italienisch sprachen und deshalb nur schwer Auskünfte einholen konnten. Mit der Zeit bewegten sie sich dann aber zunehmend sicherer, nutzten die Angebote der Stadt, besuchten Museen, gingen in die Oper und ins Kino. Sie wussten sich gegen die Aufdringlichkeit junger Männer, der sie in den grossen Städten weit mehr ausgesetzt waren als zu Hause, zu schützen. Sie passten sich auch in ihrem Äusseren mehr und mehr dem Stadtleben an. Waren sie anfangs noch an ihrer derben Kleidung und an ihren mässigen Sprachkenntnissen unverkennbar als Mädchen vom Land und als Deutsche auszumachen, so kleideten sie sich zunehmend eleganter - die «Signora» überliess ihnen ihre abgelegten Kleider und Hüte -, und sie erlernten die italienische Sprache.

Obwohl es Kontakte zu italienischen Arbeitskolleginnen oder Zufallsbekanntschaften auf der Strasse gab, zog es der grössere Teil der Mädchen vor, sich in der Freizeit mit Landsleuten zu treffen, um «unter sich» zu sein. Neben den deutschen Klöstern gab es in jeder Stadt fixe Treffpunkte wie grosse Plätze und Parks. Auch bei männlichen Bekanntschaften bevorzugte man junge Südtiroler, die in der Stadt ihren Militärdienst ableisteten oder studierten, und Angehörige der deutschen Wehrmacht. Italienischen Verehrern, die sich oft einstellten, stand man zwiespältig gegenüber: Auf der einen Seite waren die jungen Frauen von deren Hartnäckigkeit fasziniert, andererseits fühlten sie sich den moralischen und politischen Richtlinien ihrer Eltern verpflichtet, die ihnen freizügigen Umgang mit dem anderen Geschlecht untersagten und eine Ehe mit einem Italiener nicht tolerierten. Nur wenige liessen sich auf eine ernsthafte Beziehung ein, heirateten und blieben mit ihrem Mann an dessen

Geburts- beziehungsweise Arbeitsort.

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Histoire des Alpes - Storia delle Alpi - Geschichte der Alpen 2009/14