Zur Optik der bewegten Körper II

Zur Optik der bewegten Körper II
Jakob Laub
1908
69892Zur Optik der bewegten Körper IIJakob Laub
1908
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Bekanntlich hat Hr. Einstein in seiner Abhandlung "Zur Elektrodynamik bewegter Körper"[1] Transformationsgleichungen für die Zeit und Koordinaten angegeben, die darüber Auskunft erteilen, welche Zeit bzw. welche Länge ein "bewegter" Beobachter konstatieren würde, falls sich die Uhren und Maßstäbe im ruhenden System befinden. Die Einsteinschen Betrachtungen sind im leeren Baum ausgeführt, und auch die von ihm behandelten Probleme spielen sich alle im Vakuum ab. Es muß hervorgehoben werden, daß die Einsteinschen Transformationsgleichungen, insbesondere auch die Kontraktionsgleichung:

nicht nur mit Hilfe des Prinzips der Relativität und der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit erhalten werden, sondern auch aus der von Einstein willkürlich im Vakuum ausgeführten Definition der Gleichzeitigkeit. Es scheint mir daher von Interesse klarzustellen, wie der Sachverhalt ist, wenn die Erscheinungen in der ponderablen Materie und nicht im Vakuum verlaufen; denn bis jetzt gelten die Einsteinschen Überlegungen nur im Vakuum.

Man wird wohl nicht einfach annehmen, daß die Einsteinschen Transformationsgleichungen unabhängig sind von der Art des Problems, ohne sich zu kümmern, wie man zu den in der ponderablen Materie gelangt. Denn die Definition der Gleichzeitigkeit im leeren Baum gehört zu den Grundlagen, aus welchen Einstein die Transformationsgleichungen ableitet; man wird zunächst die mit dem Kriterium für die [176] Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse verbundenen Schlüsse nicht aus dem leeren Raum in die Materie übertragen, sondern wird vielmehr versuchen, beim Übergang zu Bewegungen, welche nicht im Vakuum statthaben, die Einsteinschen Betrachtungen in einem beliebigen Medium auszuführen, und sehen, zu welchen Konsequenzen das führt.

Es möge ein homogenes Medium vom Brechungsindex n gegeben sein, in welchem zwei Koordinatensysteme ein ,,ruhendes" und ,,bewegtes" mit den nötigen Beobachtern, Maßstäben und Uhren betrachtet werden sollen. Wir nehmen an, daß die Maxwellschen Gleichungen auch noch auf Dielektrika angewendet werden können; man kann[2] dann exakt die Geschwindigkeit bestimmen, mit welcher sich ein Lichtstrahl in der Materie fortpflanzt. Das infolge der Gruppengeschwindigkeit auftretende Dispersionsglied (ein sehr kleiner Bruch) kann man sich beliebig klein gemacht denken. Man kann sich dann im gegebenen Medium das Einsteinsche Kriterium für den synchronen Gang zweier Uhren ausgeführt denken und erhält für synchron laufende Uhren die Gleichung:

tB - tA = t'A - tB.

Bei der Vergleichung des „bewegten" und ,,ruhenden" Systems miteinander verlangen wir: der Gang zweier Uhren soll nur davon abhängen, ob sich der Beobachter im selben Bewegungszustand wie die Uhren befindet, oder relativ zu den Uhren eine Geschwindigkeit besitzt; hingegen soll der Gang der Uhren völlig unabhängig sein vom Medium, welches sich zwischen ihnen ausbreitet. Man erhält dann die Gleichungen:[3]

(1)

und

(2) ,

wobei c' die Geschwindigkeit im gegebenen Medium bedeutet, falls sich der Lichtstrahl in der Richtung der positiven X-Achse fortpflanzt, c" hingegen die Lichtgeschwindigkeit in demselben [177] Medium für die Fortpflanzung in der negativen Richtung. Wir wollen zunächst c' und c" als unbekannte Größen (etwa als Funktionen von v und n) betrachten, welche miteinander durch die Gleichung (2) verbunden sind.[4]

Um nun die Beziehungen zu gewinnen, welche zwischen den Koordinaten x, y, z und der Zeit t im ruhenden System (System I) und den Werten ξ, η, ζ, τ im bewegten (System II) bestehen, verfahren wir so, wie es Einstein im Vakuum macht. Setzt man nämlich x’=x-vt, so ist klar, daß einem im System II ruhenden Punkte ein bestimmtes, von der Zeit unabhängiges x', y, z zukommt. Man bestimmt dann zunächst τ als Funktion von t und x', y z, indem man das Einsteinsche[5] Kriterium der Gleichzeitigkeit in II ausführt, wodurch man die Gleichung findet:

(3)

Wählt man x’ unendlich klein, so folgt hieraus in Verbindung mit der Gleichung (2):

oder:

(4) .

Wir wollen nun dieselben Überlegungen auf die η- und ζ-Achse des Systems II anwenden. Ein Lichtstrahl wird sich längs dieser Achsen vom System I aus betrachtet immer mit der Geschwindigkeit

fortpflanzen, wobei unter c1 eine vorläufig unbekannte Funktion von v und n zu verstehen ist. Führt man dieselbe Rechnung wie bei der X-Achse aus, so folgt:

(5)

2) Annalen der Physik. IV.Folge. 25. 12

[178] Integriert man die Gleichungen (4) und (5) und berücksichtigt, daß τ eine lineare Funktion ist, so erhält man:

Da wir aber verlangen, daß die vom Beobachter gefundene Zeit unabhängig sein soll vom Medium, in welchem die Beobachtung ausgeführt wird, so muß τ gleich sein der von Einstein im Vakuum gefundenen Zeit; es muß also die Gleichung bestehen:

(6) ,

d.h.

ψ = a.

Um nun die Größen ξ, η, ζ zu erhalten, verfahren wir analog wie Einstein, und verlangen, daß sich dass Licht sowohl im bewegten Medium vom bewegten Beobachter, wie auch im ruhenden vom ruhenden Beobachter gemessen mit der Geschwindigkeit c/n fortpflanzt. Sendet man zur Zeit τ=0 in der Richtung der wachsenden ξ des Systems II einen Lichtstrahl aus, so gilt:

oder

(7) .

Nun bewegt eich aber der Lichtstrahl relativ zum Anfangspunkt des Systems II im System I gemessen mit der Geschwindigkeit c’-v, so daß man erhält

.

Setzt man diesen Wert für t in die Gleichung (7) ein, so erhält man:

(8) .

Wir verlangen nun: Die von einem Beobachter gemessene Länge eines Stabes soll nur abhängen vom relativen Bewegungszustand des Beobachters und Stabes, hingegen soll sie vollständig unabhängig sein von der Natur des Mediums, in welchem die Messung ausgeführt wird; denn würde die Länge oder die Zeit [179] auch noch vom Medium abhängen, dann könnte man eine absolute Bewegung mit Meßapparaten konstatieren, was nach dem Relativitätsprinzip ausgeschlossen ist.

Es muß daher die Gleichung (8) übereinstimmen mit derjenigen, welche Einstein im Vakuum findet, d. h., es muß

(9) .

Der Beobachter, welcher das Einsteinsche Kriterium der Gleichzeitigkeit in einem Medium vom Brechungsindex n ausführt, findet also, vom ruhenden System aus messend, die Geschwindigkeit des Lichtstrahls gleich c', welche der Gleichung (9) genügt. Berechnet man c' aus (9), so hat man die vom Beobachter beobachtete Geschwindigkeit; man erhält:[6]

,
,

oder

(10) .

Auf analoge Weise findet man durch Betrachtung eines Lichtstrahles, welcher sich längs der η-Achse fortpflanzt:

,

wobei aber

x' = 0,

sind. Man hat daher:

(11) .

[180] Da aber eine gemessene Länge unabhängig sein soll vom Medium, in welchem die Messung vor sich geht, so muß η gleich sein dem im Vakuum gefundenen η; es muß also:

(12) .

Daraus kann man das vom Beobachter wahrgenommene c1 berechnen; wir erhalten:

,
,
,
,

oder

(13)

Genau so berechnet man die ζ-Koordinate. Wir sehen also, daß man die Einsteinschen Betrachtungen auch in der ponderablen Materie ausführen kann und bekommen dann wieder die Transformationsgleichungen:

(14)

Die physikalische Bedeutung unserer Betrachtung ist klar. Das Vakuum ist nicht der einzelne Eichraum, in welchem wir unsere Uhren und Maßstäbe eichen müssen. Man kann im Prinzip in jedem Medium die Abhängigkeit der Länge der Maßstäbe und des Ganges der Uhren vom relativen Bewegungszustand der Beobachter und Meßapparate konstatieren und [181] findet immer die in den Gleichungen (14) ausgedrückte Tatsache. Denn trägt man die in einem Medium vom Brechungsindex n1 (kann auch Vakuum sein) geeichten Uhren und Maßstäbe in ein anderes vom Brechungsindex n2, so findet man bei einer Kontrolle der Apparate mit Hilfe des Einsteinschen Kriteriums der Gleichzeitigkeit im entsprechenden Medium immer die Apparate den Gleichungen (14) gehorchend, weil der Beobachter bei Anwendung von Lichtstrahlen die durch die Gleichungen (10) und (13) ausgedrückten Geschwindigkeiten c' und c1 mißt.

Wir haben bei unserer Betrachtung gleichzeitig den Fresnelschen Mitführungskoeffizienten ohne Vernachlässigungen gleich:

gefunden. (Meine Annahme[7] c'=c/n+x, c=c/n-x trifft also nur in Größen erster Ordnung zu.) Man kann sagen, daß das Fizeausche Experiment auf diese Weise eine Stütze für die Einsteinsche Elektrodynamik bildet.

Der Ausdruck:

gibt uns einen ,,zweiten Mitführungskoeffizienten" an, denn er sagt aus, welche Lichtgeschwindigkeit ein ruhender Beobachter mißt, wenn sich die Lichtstrahlen senkrecht zur Bewegungsrichtung des Mediums fortpflanzen. Da es sich hierbei um Messungen von Interferenzerscheinungen handelt, ist es vielleicht nicht ausgeschlossen, daß man noch das Glied bestimmen können wird. Eine experimentelle Bestätigung dieser Größe würde auch für die Richtigkeit der Relativitats-Elektrodynamik sprechen.

Es möge nun noch auch die Frage nach der Überlichtgeschwindigkeit erörtert werden. Da Einstein das Kriterium der Gleichzeitigkeit im Vakuum ausführt, dann kann es natürlich in den Folgerungen überhaupt keine Überlichtgeschwindigkeit [182] geben. Ein Körper kann sich nicht mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, weil sonst die Gleichung

unendlich groß wird, das Licht selbst kann sich nicht mit einem cα > c bewegen, weil wir eben im Vakuum sind. Das Einsteinsche Kriterium der Gleichzeitigkeit mit den daraus folgenden Schlüssen kann man sich aber in einem Dielektrikum ausgeführt denken. Dann kann sich das Licht selbst wohl mit cα > bewegen. Das Additionstheorem würde denn zunächst nur gelten für Geschwindigkeiten materieller Punkte, denn würde man darin statt der Translationsgeschwindigkeit materieller Punkte die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes im Vakuum einsetzen, so folgt, daß es überhaupt kein cα gibt, wozu aber bis jetzt kein Anlaß vorhanden zu sein scheint. Man kann sich doch die Einsteinschen Betrachtungen im Prinzip in einem Medium von n < 1 ausgeführt denken.

Was aber die Bewegung materieller Körper betrifft, so kann sich ein Körper in einem Medium vom Brechungsindex n auch nur mit der Geschwindigkeit

bewegen. Denn wird

,

dann ist:

tB - tA = ∞ (vgl. Gleichung (1));

ist

v > c,

dann hätte man eine negative Zeit. Wir könnten also in dem Falle im entsprechenden Medium unsere Meßmethoden nicht anwenden.

Die Lichtgeschwindigkeit nimmt überhaupt in unseren Betrachtungen eine gesonderte Stellung ein; sie ist die einzige [183] Geschwindigkeit, welche nicht nur vom Bewegungszustand des Beobachters abhängt, sondern auch vom Medium, in welchem sie gemessen wird.


III.

edit

Zum Schluß möchte ich noch zu dem in der Gleichung (10) enthaltenen Mitführungskoeffizienten folgende Bemerkung hinzufügen. Die Gleichung (10) sagt aus, wie groß die von einem ruhenden Beobachter gemessene Geschwindigkeit eines Lichtstrahles ist, der von einer mit der Geschwindigkeit v bewegten Lichtquelle kommend in einem mit derselben Geschwindigkeit v bewegten Medium sich fortpflanzt. Um nun den Fall zu haben, bei welchem der ruhende Beobachter die Geschwindigkeit eines Lichtstrahles mißt, der von einer in der Luft ruhenden Lichtquelle kommend sich in einem mit v bewegten Dielektrikum fortpflanzt, müssen wir nur im Gliede c/n der Gleichung (10) in n statt der relativen Periode T' die absolute Periode T, welche einer ruhenden Lichtquelle entspricht, einführen. Um die absolute Periode T zu erhalten, wenden wir das Dopplersche Prinzip an, welches auch in unserem Falle lautet:

oder

,

wobei c wieder die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum bedeutet. Diese Modifikation rührt nur von der relativen Bewegung der Lichtquelle gegen das Medium her, indem auf dieses Licht veränderter Farbe fällt. Bezeichnet man mit N den Brechungsindex des ruhenden Mediums für die absolute Periode T, so ist:

,

wobei λ=cT die Wellenlänge des Lichtes im Vakuum bedeutet.Berücksichtigt man in (10) nur die Glieder

,

[184] so erhält man:

.

Führt man in dem mit v behafteten Glied den Näherungswert n=N ein, so wird:

.

Würzburg, Physik. Inst., am 18. November 1907.

(Eingegangen 19. Dezember 1907.)


  1. A. Einstein, Ann. d. Phys. 17. p. 891. 1905.
  2. Vgl. M. Cantor, Wien. Ber. 116. 1907.
  3. Vgl. J. Laub, Ann. d. Phys. 23. p. 740. 1907.
  4. Auf Grund der Gleichung (2) allein wurde l. c. der Fresnelsche Mitführungskoeffizient in erster Annäherung abgeleitet.
  5. Vgl. A. Einstein, l. c.
  6. Vgl. auch M. Laue, Ann. d. Phys. 23.. p. 989. 1907
  7. J. Laub, l. c.